Ich habe meine Mutter verloren, am 12. Mai 2010 starb sie an Lungenkrebs

Ich habe meine Mutter verloren, am 12. Mai 2010 starb sie an Lungenkrebs.

Früher, als Kind dachte ich immer, meine Mama wäre eine ganz normale Mutter, so mit Liebe und Zeit und allem. Die ersten Risse bekam dieses Denken schon sehr früh, ich hatte einen Halbbruder, ihren Sohn, der irgendwie immer im Heim war. Ich war zu klein das zu verstehen. Ich weiß nur, ich liebte ihn und es war furchtbar, ihn nicht bei mir zu haben.


Mit 18 Jahren verschwand er für immer. Die Antworten, die ich im Laufe der Jahre bekam, deckten sich nicht im geringsten mit dem, was ich von Bekannten mitbekam. Meine Mutter stellte sich als Opfer dar, welches von ihrem Sohn fertig gemacht wurde. Meine Eltern hatten oft Streit, natürlich war mein Vater schuld, auch er machte meiner Mutter das Leben nur schwer. Dumm nur, dass ich älter wurde, auszog, ein eigenes Leben führte. Denn da sah ich, was wirklich los war und nicht mein Vater war schuldig.


Ja, mein Papa und ich, wir waren ein Team, selbst als Erwachsene war ich seine Tochter, ich konnte mich bei ihm ausweinen, oder einfach mal schmusen. Als ich meinen Sohn bekam, platzte mein Vater vor Stolz, meine Mutter fragte, ob das nötig war....


Mein Papa war immer für Patrick da, versuchte ihn am Wochenende wenigstens einen Tag zu haben und dann sah man Opa und Enkel in totaler Harmonie. Mir fiel schnell auf, dass Mama nicht so begeistert war, aber da Papa ja alles für den Jungen tat, blieb sie ruhig.


1999 starb mein Vater, während für Patrick und mich die Welt stehen blieb, konnte meine Mutter gar nicht schnell genug sein Auto und seinen Garten verkaufen. Leider hat mein Vater nicht mehr gesund mein zweites Kind erlebt, aber nach Papas Tod hatten meine Kinder gar keine Großeltern mehr.


Ich musste schmerzhaft erfahren, dass meine Mutter nie Lust auf ihre Enkel hatte, denn mit Papas Tod wendete sie sich von den Kindern ab. So waren nun die letzten 11 Jahre, man sah sich nur, wenn es sein musste, es gab für sie keinen Kindergeburtstag, kein Weihnachten mehr. Ob mein Kind im Krankenhaus war, ob ich eine OP hatte, es war ihr egal. Sie war nicht zur Einschulung meiner Tochter, nicht zum Abiball meines Sohnes.


Wenn wir uns sahen, war sie nur am motzen, am jaulen, es war einfach nur anstrengend. Sie hatte einen Freund, fing mit dem Trinken an, das hatte nichts mit Mutter oder Oma sein zu tun. Dann im Dez 09 wurde sie krank - Lungenkrebs, unheilbar.

Plötzlich war ich gefragt.........und was soll ich sagen, ich tat es.


Sechs Monate kümmerte ich mich um alles, Haushaltshilfe, Pflegestufe, den Einkauf, die Finanzen. Krankenhäuser, Palliativstation bis hin zum Hospiz. Meine Mutter war in ihrer Krankheit noch schlimmer als vorher, sie schrie mich an, beschimpfte mich, sie benahm sich den Ärzten und Schwestern gegenüber fürchterlich.


Meine Tochter weinte irgendwann nur noch, weil sie das mit meiner Mutter nicht ertrug. Niemand verstand, warum ich ihr half, mein Job, die Kinder, der Haushalt und meine Mutter, ich war fix und fertig. Nie habe ich soviel geweint wie in dieser Zeit. Ich hasste sie, weil sie so war, ich hasste mich, weil ich mir das antat. Aber ich musste es tun, warum auch immer.


Dann starb sie und ihr Anblick, wie sie tot da lag, zeriss mir das Herz. Tja, schon verwunderlich, obwohl Mama ja all die Jahre alles andere als liebenswert war, hat ihr Tod mich sehr verletzt. Ich habe dann alles Weitere auch geregelt, Bestattung, Wohnungsauflösung und und.

Eine weitere schmerzhafte Sache war dann noch, dass meine Mutter für nichts vorgesorgt hatte, somit musste ich mich noch mit Ämtern und Behörden streiten, um nicht in Schulden zu versinken.


Ich bin traurig, weil ich in all den Jahren keine Mutter hatte.


Ich bin wütend, weil sie alle nur verletzt hat, ich bin verletzt, weil sie mir bis zum Ende nicht erklärt hat, warum sie so war.

Meine Trauer hat dadurch viele Gesichter, aber egal welches Gesicht die Trauer gerade hat, jedes davon schmerzt.


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