Beiträge von Fee1606

    Geduld ist alles

    Nicht rechnen und nicht zählen,
    sondern reifen wie der Baum,
    der seine Säfte nicht drängt
    und getrost in den Stürmen
    des Frühlings steht.
    So als würde dahinter
    kein Sommer kommen.
    Er kommt doch!

    Aber nur zu den Geduldigen,
    die da sind, als würde die Ewigkeit
    vor ihnen liegen.
    Ich lerne es täglich
    unter tausend Schmerzen,
    denen ich dankbar bin:
    Geduld ist alles !

    Rainer Maria Rilke
    (* 4. Dezember 1875 ; † 29. Dezember 1926)

    D i e U h r



    Ich trage, wo ich gehe,
    stets eine Uhr bei mir;
    wieviel es geschlagen habe,
    genau seh' ich an ihr.



    Es ist ein großer Meister,
    der künstlich ihr Werk gefügt,
    wenngleich ihr Gang nicht immer
    dem törichten Wunsche genügt.



    lch wollte, sie wäre rascher
    gegangen an manchem Tag;
    ich wollte, sie hätte manchmal
    verzögert den raschen Schlag.



    In meinen Leiden und Freuden,
    im Sturm und in der Ruh,
    was immer geschah im Leben,
    sie pochte den Takt dazu.



    Sie schlug am Sarge des Vaters,
    sie schlug an des Freundes Bahr',
    sie schlug am Morgen der Liebe,
    sie schlug am Traualtar.



    Sie schlug an der Wiege des Kindes,
    sie schlägt, will's Gott, noch oft,
    wenn bessere Tage gekommen,
    wie meine Seele es hofft.



    Und ward sie auch manchmal träger,
    und drohte zu stocken ihr Lauf,
    so zog der Meister immer
    großmütig sie wieder auf.



    Doch stünde sie einmal stille,
    dann wär's um sie gescheh'n:
    kein Andrer, als der sie fügte,
    bringt die Zerstörte zum Gehn.



    Dann müßt' ich zum Meister wandern,
    der wohnt am Ende wohl weit,
    wohl draußen, jenseits der Erde,
    wohl dort in der Ewigkeit.



    Dann gäb' ich sie ihm zurücke,
    mit dankbar kindlichem Flehn:
    "Sieh, Herr, ich hab' nichts verdorben,
    sie blieb von selber stehn."



    Johann Gabriel Seidl, (1804-1875)
    östereichischer Dichter

    Ich möchte Jedem Danke sagen
    der hier durch Trost und Rat erfreut,
    dies ist nicht selbstverständlich -
    Danke sag' ich, lieber Freund.


    Für Unterhaltung , Geschichten,
    Gedichte und vieles mehr,
    liebevoll für uns ausgewählt, -
    das tut doch jedem Menschen gut,
    gibt neue Kraft und frischen Mut.



    Andere Menschen zu erfreuen,
    das ist es doch, was wirklich zählt.
    Als Antwort auf ein nettes Wort,
    Verständnis, Hilfe hier und dort,
    da darf man schon mal
    DANKE sagen,


    weil wir uns gegenseitig tragen !

    Auf dem Friedhof



    Es steht gepflegt und gehütet
    Ein blumengeschmücktes Grab;
    Es weht der Wind die Blüten
    Von den Rosenbüschen herab.



    Ein anderes Grab daneben
    Ist schmucklos öde und kahl;
    Der Wind weht hinauf die Blätter,
    Die er den Rosen stahl.



    Er hat sie vom liebesgeschmückten
    Aufs vergessene Grab geführt;
    Mir war es, als ob zuweilen
    Das Schicksal Reue spürt.



    Albert Roderich
    1846-1938

    Die Angst der Kerze


    Eines Tages kam ein Zündholz zur Kerze und sagte:
    "Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden."


    "O nein!" erschrak da die Kerze. "Nur das nicht.
    Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt!
    Niemand mehr wird meine Schönheit bewundern!"
    Und sie begann zu weinen.

    Das Zündholz fragte: "Aber willst du denn dein
    Leben lang kalt und hart bleiben, ohne je gelebt
    zu haben?"
    "Aber brennen tut doch weh und zehrt an meinen
    Kräften", schluchzte die Kerze unsicher und voller
    Angst.
    "Das ist schon wahr." entgegnete das Zündholz.
    "Aber das ist doch auch das Geheimnis unserer
    Berufung: Wir sind berufen, Licht zu sein. Was
    ich tun kann, ist wenig. Zünde ich dich aber nicht
    an, so verpasse ich den Sinn meines Lebens.

    Ich bin dafür da, das Feuer zu entfachen. Du bist
    die Kerze. Du sollst für andere leuchten und
    Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz und
    Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht.

    Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst.
    Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn
    du dich versagst, wirst du sterben."


    Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller
    Erwartung:
    "Ich bitte dich, zünde mich an." :k114:

    Erinnerung



    Der Morgen weht mit zarten Lüften,
    Und spielt mit Gras und Blatt und Blüt',
    Und haucht aus tausend süßen Düften
    Erinnerung in mein Gemüt.



    Wie bald verweht des Lebens Morgen!
    Kein Frühling macht uns wieder jung.
    Was bleibt uns zwischen Pein und Sorgen
    Als du - als du, Erinnerung?



    Momente kommen gut und herzlich,
    Und man vergißt das schlimme Jahr,
    Ach, man gedenkt entzückend-schmerzlich
    Der Stunden, die man glücklich war.



    Das Leben ist ein Kranz von Blüten,
    Tief zwischen Dornen eingewebt,
    Nur die erringen, die sich mühten,
    Nur wer geweint hat, hat gelebt.



    Ernst von Feuchtersleben
    (* 29. April 1806; † 3. September 1849)

    Der Himmel hat eine Träne geweint,
    Die hat sich ins Meer zu verlieren gemeint.

    Die Muschel kam und schloß sie ein;
    Du sollst nun meine Perle sein.

    Du sollst nicht vor den Wogen zagen,
    Ich will hindurch dich ruhig tragen.

    O du mein Schmerz, du meine Lust,
    Du Himmelsträn' in meiner Brust!

    Gib, Himmel, daß ich in reinem Gemüte
    Den reinsten deiner Tropfen hüte.


    Friedrich Rückert
    (* 16. Mai 1788 ; † 31. Januar 1866)

    Abschied



    Nun sind sie vorüber,
    jene Stunden, die
    der Himmel unserer
    Liebe gab.



    Was der Augenblick
    geboren schlang der
    Augenblick hinab.



    Aber ewig blüht es
    unverloren was das
    Herz dem Menschen gab.




    Adalbert Stifter (* 23. Oktober 1805 ; † 28. Januar 1868)