Jeder Tag, ein ständig neuer und wiederholter Kampf ...

  • ich fordere ja gar nicht, daß es aufhört ... denn das wird es nie, bzw. es wird nur anders ...


    ich habe mich verändert, mein ganzes Leben ist komplett aus den Fugen geraten. Nicht nur meine Tochter war fort, sondern auch mein "altes" Leben.
    Wenige Wochen nach Mäuslein`s Tod > von der Partnerin "abgeschossen", Suizid (Mäuslein schickte mich zurück), aus dem Zuhause geworfen, Scheidung, viele meiner persönlichen Dinge wurden nicht herausgegeben, von der Ex in arge finanzielle Probleme getrieben, Mobbing am Arbeitsplatz ... jo, das war`s eigentlich schon.


    Dieser täglich neue Kampf, ist sehr anstrengend ... er macht mich oft mutlos, sehr müde und unendlich traurig.
    An manchen Tagen hat der "normale Wahnsinn" das Ruder in der Hand ... ich schaukel dann so in meiner Nußschale den Fluß entlang, erarbeite mir mühsam das Kapitänspatent.
    An anderen Tagen schlägt das Wetter rasant um ... die Wellen schlagen über mir zusammen und ich kentere. Irgendwie komme ich wieder an Land ... wünsche mir oft, daß der Fluß mich verschlingen möge ... doch er spuckt mich stets wieder aus ...


    Halloooo neuer Tag ... wie ist die Wetterprognose ?


    NußschalenGrüße
    Chrissie

  • Liebe Christine,


    ich kann nicht sagen bzw. schreiben, dass ich weiß, wie Du dich fühlst. Ich kann Dir nur schreiben, dass ich bzw. wir ähnliche Situationen "durchlebt" haben. Da ein einzelner Mensch für sich einzigartig ist, trauert auch jeder mensch auch anders. Der Verlust des Kindes ist ein Einschnitt in das Leben, der meines Erachtens nicht mehr reparabel ist. Wie Du schon geschrieben hast - es gibt ein Leben davor und ein Leben danach. Bei uns hat sich das alte Leben am 20.03.2008 von uns getrennt. Es ist jetzt schon bald 5 Jahre her. Manchmal frage ich mich, wo die Zeit geblieben ist und wie man manche Tage überhaupt überstanden hat. Der Freundeskreis hat sich in dem "neuen" Leben verändert. Es sind durch den Tod unserer Tochter langjährige Freundschaften zerbrochen, wo man eigentlich geglaubt hatte, es sind "gute" Freundschaften. Es haben sich jedoch inzwischen neue Freunschaften entwickelt, die auch mit unserer Trauer umgehen können.


    Der tägliche Kampf macht in der Tat müde. Das habe ich bei mir auch festgestellt. Manchmal habe ich bei der Arbeit Tage lang nichts zustande gebracht, weil der Kopf einfach leer war. So war bzw. ist es mit den Gefühlen auch - manchmal sind es bestimmte Situationen, in denen bin ich jetzt auf nun sch... drauf. Wobei ich jedoch sagen muss, dass diese Situationen weniger geworden sind bzw. ich auch damit gelernt habe, umzugehen.


    Jürgen

  • Liebe Christine,
    Jürgen hat leider recht. Unser Leben hat sich radikal verändert. Nichts wird wieder gut, aber man lernt im Laufe der Zeit mit dem "nichts wird gut" zu leben. Es wird irgendwann besser.
    Alles hat sich geändert.
    Bei mir war es so ähnlich, wie bei dir. Nur hatte ich erst die Scheidung, dann den Tod meines Kindes und dann den Tod des Ex-Mannes. Haus und Hof waren weg und die Schulden blieben.
    Heute befinde ich mich immer am Rande der Sozialhilfe, aber was soll's.
    Sich jeden Tag wieder aufzuraffen, das ist nun unsere Aufgabe. Sich selber nicht im Leid zu verlieren. Neue Freunde und Freundschaften zu finden. Unsere Kinder wollen das sehen (ich bin davon überzeugt).
    Die kleine Nusschale wird dich tragen und sicher wieder nach Hause bringen, glaube an deine Stärke.
    Ich wünsche dir viel Kraft und die Wetterprognose lautet......Regen, Regen, Schnee und dann endlich :a0015:


    noch eine Kerze für dein Mäuslein

    :trauerkerze_53:


    liebe Grüße
    Mummy

  • Die schwersten Wege werden alleine gegangen – der Tod, der Verlust, die Trauer – wir fühlen uns einsam auf solchem Weg. Manchmal sehe ich den Weg nicht oder verschwommen, weil mir die Tränen den Blick verschleiern.


    Die Hände der Lebenden, die sich ausstrecken, ohne uns zu erreichen , sind wie die Äste der Bäume im Winter. Alle Vögel schweigen, man hört nur den eigenen Schritt und den Schritt, den der Fuß noch nicht gegangen ist, aber gehen wird. Stehen bleiben und sich umdrehen hilft nicht.


    Manchmal wächst in mir ganz leise ein Keim von Hoffnung, die mich Licht sehen lässt in meiner Dunkelheit. Ich atme auf und schaffe die nächsten Schritte. Der Tod meines Kindes hat ganz viel von meinem Leben genommen und eine Wunde aufgerissen, die so unendlich schmerzt. Kummer lastet auf mir – jeder Schritt auf meinem Weg fällt mir schwer. Ich gehe scheinbar gebeugt wie unter einer schweren Last. Manchmal ermutigt mich ein hilfreiches Wort, erfahre eine liebevolle Begleitung. Der Weg wird leichter und ich komme gut voran. Manchmal bleibe ich auch einfach stehen, weil ich nicht wahrhaben will, was geschehen ist – ich kann den Verlust meines Kindes nicht verstehen. Manchmal scheine ich dem Ziel ganz nah zu sein: Bald habe ich es geschafft, mit dem Verlust umzugehen. Doch dann tut sich ein neuer Abgrund vor mir auf und ich falle und falle. Werde ich mein Ziel je erreichen? Wird es mit der Zeit leichter werden? Werden meine Wunden nicht mehr so schmerzen? Von Zeit zu Zeit öffnet sich plötzlich unerwartet ein Tor, wo ich zuvor nur gegen eine Mauer prallte. Ich hebe meinen Blick und versuche mich allmählich von dem zu lösen, was mir das Herz schwer macht. Es wächst ein Keim von Hoffnung in mir, dass ich lerne wieder zu leben. Ich erkenne, dass der Tod mir nicht alles genommen hat, mir bleibt der Schatz der Erinnerung. Denn diese Erinnerungen geben mir Trost und die Kraft, meinen Weg mutig fortzusetzen. Irgendwann werde ich an meinem Ziel ankommen, jedoch verändert, gereift und dem Leben neu zugewandt.

  • Lieber Jürgen und liebe Mummy,


    es ist tröstlich, von Euch ähnliche Worte und Erfahrungen zu lesen ... danke.


    Im April werden es 3 Jahre, daß ich diese Wildwasserfahrt in meiner Nußschale schipper ...
    und diese Nußschale wird mich weiterhin -irgendwie- "über" Wasser halten.
    Irgendetwas habe ich hier wohl noch zu erledigen ... im Wasser oder an Land ... ich habe es nur noch nicht herausgefunden, was es ist. Meine Tochter hat mich nicht grundlos zurück geschickt.


    Jürgen, Du beschreibst wunderschön Deinen beginnenden Keim der Hoffnung und das sich manchmal, ein nie dagewesenes Tor auftut ... auch wenn nur soweit, daß es für den nächsten Schritt reicht. Es klingt so traurig und schön zugleich ...


    Ich wünsche uns allen, daß wir schaffen werden, Schritt für Schritt unseren "neuen" Weg zu finden und ihn zu gehen, ohne all zu tiefe oder neue Wunden ...


    Nußschalengrüße
    Chrissie

  • Liebe Chrissie...


    was Deine Nussschalenwasserfahrt ist, ist meine Holzacherbahnfahrt...
    ich glaub, das fühlt sich gleich an...
    Also...halt Dich immer gut in Deiner Nussschale fest...so wie ich mich an meinen Holzsitz klammere...
    wackeln dürfen wir, aber nie rausfallen...


    Ich wünsch Dir immer eine "Rettungsweste" an Deiner Seite...liebe Menschen, die Dich auffangen...liebe Worte, die Dich erreichen können und immer Mut und Zuversicht!


    Es grüßt Dich aus der Holzachterbahn... :k113:
    Igel

  • ich danke Dir Igel :)


    Rettungsweste ... hmmm ... gute Idee, ärgerlich nur, wenn man sie grad nicht in Reichweite hat ...


    Deine "Fahrt" stelle ich mir äußerst holprig vor ... Holz auf buckligen Pflaster *autsch, das gibt blaue Flecken* - nun immerhin sind unsere derzeitigen Transportmittel aus natürlichem Material. Sollten wir sie iiiirgendwann mal nicht mehr benötigen, dann sind sie wenigstens biologisch abbaubar ;-))


    NußschalenGrüße
    Chrissie

  • eine humorvolle Rettungsweste ? klingt supi !
    wenn ich schon manchmal mit Untergehen beschäftigt bin, sollte ich es wenigstens stilvoll tun ...

    Humor ist eines der besten Kleidungsstücke,
    die man in der Gesellschaft trägt.
    William Makepeace Tackeray



    ehrlich gesagt, bin ich froh, wieder hierher gefunden zu haben ... diesen Kampf - wenn mir danach ist - einfach mal auf zu schreiben ..., ihn mit zu teilen ...


    grad frag ich mich, ob dieser Keim der Hoffnung nicht zuviel Wasser abbekommt und anfängt zu faulen ? ich schippe und schippe hier das Wasser raus - manchmal nur mit einem Teelöffel ... manchmal reicht mir jemand einen Eimer.
    froh bin ich, daß ich auf dem Stöpsel sitze ... und da weich ich nicht von runter !
    is auch kein Wunder ... in so einer Nußschale gibt`s wenig Ausweichmöglichkeiten. mein Ziel ist ein Fischkutter ... nur so groß, daß ich jeder Zeit wieder den Stöpsel erreichen und mich drauf stellen kann.


    NußschalenGrüße
    Chrissie

  • meine Nußschale trieb heute in ruhigem Fahrwasser ... ich habe es endlich seit meinem Einzug - immerhin 2 1/2J. - geschafft meine Schlafkammer mal etwas aufzuhübschen ... gefällt mir ! Das bisherige Gerümpel ist entsorgt und der Rest aufgeräumt.


    Einzig meine alte Matratze steht noch im Eck ... darauf haben mein Mäuslein und ich oft gekuschelt, wenn es für sie wieder eine schmerzvolle Nacht war ... darauf haben wir rumgekaspert ... morgens lecker gefrühstückt ... manche Tränen geweint ... aber auch gelacht ... uns 11undneunzig Knallküsse gegeben ...
    ich schaff es nicht, diese Matratze zu entsorgen - noch nicht ...


    merkwürdig ... ich, die sonst kaum an materiellen Dingen hängt (die wichtigsten Schätze trage ich im Herzen), tut sich mit einer Matratze schwer ...


    NußschalenGrüße
    Chrissie

  • Liebe Chrissie,
    das mit der Matratze kann ich gut nach vollziehen. Bei mir sind noch ättliche elektronische Geräte (kaputt) von Marcel. Auch ich schaffe es nicht sie zu entsorgen. Dafür braucht man ein paar Jahre.
    Aber wenn sie deiner Nußschale nicht im Weg ist, laß sie stehn. Auch eine Matratze kann beim kentern eine Rettungsweste sein.
    liebe Grüße
    Mummy

  • Liebe Chrissie,


    wie Marita schon schreibt - wenn Dir die Matraze nicht im Weg ist, behalte Sie. Du hast in einigen Sätzen viele Erinnerungen ausgedrückt. Auch wenn es vielliecht manchmal schmerzliche Erinnerungen sind, dass Dich Dein Kind verlassen musste. Aber die Matraze hat auch viele schöne Erinnerungen. Erinnerungen sind für uns Eltern ein sehr großer Schatz geworden. Wir haben Sarahs Zimmer seit Ihrem "Nicht mehr nach Hause kommen" so gelassen. Klar - wir haben es etwas aufgeräumt, aber ansonsten ist alles so geblieben und es wird auch noch so bleiben. Das T-Shirt, welches Sarah bei ihrem Unfall anhatte, hängt noch immer bei uns an der Gaderobe. Manchmal kann man wochenlang daran vorbeigehen, dann gibt es wieder Tage, da steht man vor dem T-Shirt - für andere vielleicht ein ganz normales T-Shirt - ein T-Shirt halt.


    P.S. Danke schön für den lieben Gästebucheintrag.


    LG Jürgen

  • Danke Euch ... Mummy & Jürgen ...


    es ist schon faszinierend, wie das menschliche Gehirn arbeitet ... und dann noch im Zusammenspiel mit dem Bauch, nach gravierenden Ereignissen.
    man kann es nicht erklären, nicht mit Logik fassen und manchmal schon garnicht nicht in Worte ...


    ich denke oft, daß ich ein RIESENhaus benötige ... um all die neuen und RIESIGEN Gefühle unter zu bekommen ... aber genau meine kleine Hutschachtel, meine kleine Nußschale reichen aus.
    In einem RIESENhaus würden sie sich sie wohl in der Weite verlieren ... oder kann man es auch als Demut vor den Umständen bezeichnen ?


    NußschalenGrüße
    Chrissie

  • heute bin ich "se(h)ekrank" ... wachte bereits in der Nacht jede Stunde auf und sah nichts anderes, als Wasser ...
    werd` mir jetzt erstmal ein trockenes Handtuch suchen ... versuchen mich trocken zu föhnen ... und schau`n, wo die wasserfeste Jacke ist - die Rettungsweste ist ganz naß ...


    naße NußschalenGrüße
    Chrissie

  • Hallo nasstropfe Chrissie... :troest:


    hoffe, dass Du mttlerweile scho a bisserl trockener bist.
    Immer dieses blöde Wasser...von oben, von unten...und das Schlimmste...das Wasser, das von innen kommt.
    Ich reich Dir mal ein Handtuch, bestehend aus: Hoffnung, Zuversicht, Mitgefühl, Verständnis und der Gewißheit, dass Du nicht alleine bist...
    Aufbauende Grüße aus der Holzachterbahn,
    Susi :k113: