Liebe Anna,
ich kann Deine Worte so gut verstehen. Ich will ihm wieder haben... Diese Worte, die so kindlich klingen, sind mein erster Gedanke am morgen, wenn ich wach werde und mein letzter, bevor ich einschlafe - und das seit nun schon 9 Jahren.
Ich weiß ja nicht, wie es vor dem Tod von Deinem Papa so in Eurer Familie war, aber bei uns (zwischen meiner Mutter und mir) wurde nie über Gefühle gesprochen, geschweigedenn Gefühle gezeigt.
An dem Tag, als mein Papa starb und wir (meine Mutter und ich) aus dem Krankenhaus nach Hause fuhren, habe ich mir Papas Bademantel übergezogen und hemmungslos geweint, stundenlang. Der Schmerz war in diesem Moment so unglaublich groß, dass ich keinerlei Beherrschung mehr hatte und es einfach so rauslassen musste. Sowas gab es bei mir früher nicht, ich habe früher nie geweint, wenn meine Mutter dabei war, und auch danach nicht mehr.
Ich habe mir auch oft gewünscht, dass mich mal jemand in den Arm nimmt, aber wie gesagt, so etwas hat es in unserer Familie nie gegeben und es hätte sich bei uns auch seltsam angefühlt, wenn es plötzlich anders gewesen wäre.
Diese Art der Nähe und des Vertrauens, in Gegenwart anderer zu weinen, mit jemandem zu kuscheln, sich zu umarmen - das hatte ich nur mit meinem Papa.
Ich weiß nicht mehr viel von Papas Beerdigung, da ich das ganze irgendwie wie ferngesteuert erlebt habe, aber ich weiß noch wie ich meine Mama ansah, die weinend vor dem offenen Grab stand und auf den Sarg starrte. Ich weiß, ich hatte den Wunsch, sie in den Arm zu nehmen, aber ich tat es nicht. Weil ich nicht wusste ob sie das will und weil ich mir sicher war, dass sie es nicht mag.
Bis heute haben wir nie so wirklich über unsere Trauer gesprochen. Wir sprechen oft über Papa. Das schon. Wir unterhalten uns über ihn und über Dinge, die wir zusammen erlebt haben, aber niemand spricht über seine Gefühle.
Wie gesagt, ich weiß nicht, wie das bei Euch ist/war, aber bei uns ist die Sache einfach so eingefahren, dass ich denke, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird.
Ich habe meine Mutter aber auch schon früher nie so tief in meine Seele blicken lassen, wie mein Papa es konnte. Mein Papa war der einzige Mensch auf dieser Welt, der mich wirklich kannte, der wirklich wusste, was in mir vorging. Er war mein aller-aller-bester Freund. Und diese Stelle in meinem Herzen wird immer für meinen Papa frei bleiben. Meine Mama kann diesen Platz einfach nicht einnehmen. Deshalb fällt es mir auch leichter, meine Gefühle hier aufzuschreiben als mit ihr darüber zu reden.
Vielleicht magst Du Dich ja auch hier bei uns anmelden, hier gibt es viele Menschen, die ähnlich fühlen wie Du, denen Du von Deinem Papa erzählen kannst.
Liebe Grüße, Nicole